Essen, 3. April 2025
Nur jeder Fünfte kennt den eigenen Wasserpreis – und viele überschätzen ihn deutlich. Gleichzeitig steigt der finanzielle und infrastrukturelle Druck auf die Wasserversorgung. Die Herausforderung: Eine Preisgestaltung, die wirtschaftlich tragfähig ist, Investitionen sichert und Akzeptanz findet. Wasserwirtschafts-Experte Siegfried Gendries analysiert im Netzwerkpartner-Podcast „Energiedosis“ zentrale Stellschrauben und gibt Impulse für zukunftssichere Modelle.
Trinkwasser zählt zu den günstigsten Grundversorgungsleistungen in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen etwa liegen die Preise für 1.000 Liter zwischen 1,20 und 3,30 Euro. Dennoch wird der Preis oft um ein Vielfaches überschätzt – ein Resultat mangelnder Sichtbarkeit.
„In Umfragen nennen viele Verbraucher Summen von 10 bis 15 Euro pro Kubikmeter – also fünf- bis zehnmal so viel wie real gezahlt wird“, so Siegfried Gendries. Ursache sei die fehlende Kundenbeziehung: „Wasser erscheint in der Nebenkostenabrechnung – anonym, unverständlich und ohne direkten Kontakt zum Versorger.“
Ein Großteil der Kosten der Wasserversorgung ist fix. Rückgänge beim Verbrauch, etwa durch demografischen Wandel oder sparsames Verhalten, führen daher nicht zu niedrigeren Preisen – im Gegenteil.
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„Sinkt der Verbrauch, steigen die Preise – das erscheint kontraintuitiv, ist aber betriebswirtschaftlich logisch."
Denn etwa 80 Prozent der Betriebskosten entstehen unabhängig vom Wasserabsatz – z. B. durch Netzinfrastruktur, Wassergewinnung und Qualitätssicherung. Diese Fixkosten müssen auf weniger Einheiten verteilt werden, wenn der Verbrauch sinkt. Die Folge: steigende Preise pro Kubikmeter.
Ein zukunftsweisender Lösungsansatz ist das sogenannte Systempreismodell, das Siegfried Gendries unter anderem mit der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft in Mülheim an der Ruhr initiiert hat. Statt über den individuellen Verbrauch wird ein Teil des Preises an die Anzahl der versorgten Wohneinheiten gekoppelt. Der Verbrauch bleibt weiterhin preiswirksam, aber in reduziertem Umfang. Siegfried Gendries erläutert: „Wir koppeln Fixkosten an das, was sie auslöst – nicht an das, was verbraucht wird.“ Das Modell wurde bereits erfolgreich in den Städten Köln, Dortmund, Krefeld und Dresden eingeführt. Rund 4,2 Millionen Menschen zahlen ihren Wasserverbrauch heute nach diesem Prinzip. Die Vorteile: höhere Erlöskonstanz, weniger Risiko bei Verbrauchsschwankungen – und dennoch transparente Anreize zum Wassersparen.
Die Forderung nach sozial gerechten Wasserpreisen ist in vielen Kommunen präsent. Doch Siegfried Gendries mahnt zur Klarheit: „Wasserpreise sind kein politisches Steuerungsinstrument für soziale Gerechtigkeit. Sie müssen die Versorgung sichern. Für Ausgleich ist der Sozialstaat zuständig.“ Missverständnisse und politische Einflussnahme gefährden nicht nur die Finanzierungsbasis der Infrastruktur, sondern auch langfristige Investitionen in Netzmodernisierung, Qualitätssicherung und Versorgungssicherheit.
Ein häufig unterschätzter Faktor ist die Kommunikation. Viele Versorger meiden Preisdebatten aus Sorge vor öffentlicher Kritik. Siegfried Gendries hält dagegen: „Wer Preise erklärt, bevor sie auf der Rechnung stehen, schafft Verständnis und Vertrauen.“ Frühzeitige und transparente Kommunikation – gegenüber Politik, Medien und Kundschaft – zahlt sich aus. Erfolgreiche Modellwechsel wie in Köln oder Dresden zeigen: Wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis sichtbar wird, ist die Akzeptanz hoch.
Handlungsempfehlungen für Versorger und Entscheider
Zum Abschluss formuliert Siegfried Gendries drei zentrale Empfehlungen:
Energiedosis ist der Podcast der Netzwerkpartner und erscheint alle zwei Wochen. Jede Folge beleuchtet aktuelle Themen der Energiebranche und bietet Fachleuten und Entscheidern wertvolle Einblicke in die Praxis von Stadtwerken und Energieversorgern. Expertinnen und Experten berichten offen und ehrlich über spannende Projekte, neue Ansätze und Lösungen, Best Practices, Herausforderungen und Lessons Learned sowie aktuelle Trends für die Zukunft der Energiewirtschaft.
Die komplette Folge 74 sowie weitere spannende Episoden finden Sie unter dem unten stehenden Link.
Die Netzwerkpartner sind rund 140 Stadtwerke – regionale und überregionale Energieversorger und Netzbetreiber aus ganz Deutschland sowie die Westenergie – die sich in einem Verein ohne Gewinnerzielungsabsicht zusammengetan haben. Durch nachhaltige Kooperation ermöglichen wir den schnellen Zugang zu Kompetenzen und Lösungen für das Gelingen der Energiewende.
Seit 25 Jahren ist der Verein eine stetig wachsende Community für Wissenstransfer, Lösungsentwicklung und Vernetzung auf strategischer und operativer Ebene mit 10.000 aktiven Fach- und Führungskräften. Die rund 60 Spezialisten unseres Kernteams an den Standorten Essen, Hamburg und Stuttgart verstehen sich als „Kümmerer in der Energiewelt“ und Begleiter auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Energieversorgung.