Finanzierung der Energiewende: Einblicke in die Strategie der evo

Timm Dolezych (evo) und Dr. Hans-Georg Napp zu Gast in Folge 70 des Netzwerkpartner-Podcasts „Energiedosis“

Essen, 30. Januar 2025

Mit Investitionen von über 600 Milliarden Euro bis 2030 ist die Finanzierung der Energiewende eine Mammutaufgabe. Wie Stadtwerke ihre Finanzierungsstrategien optimieren und innovative Wege gehen können, erläutern Timm Dolezych, kaufmännischer Vorstand der Energieversorgung Oberhausen AG (evo), und Dr. Hans-Georg Napp, erfahrener Berater für Infrastrukturfinanzierungen, in der aktuellen Folge von „Energiedosis“.

Stabile Basis und klarer Blick nach vorne in Oberhausen

„Unser Investitionsbedarf wird sich in den kommenden fünf Jahren mindestens verdoppeln, realistischerweise eher verdreifachen“, erklärt Timm Dolezych. Dank gezielter Gewinnthesaurierungen liegt die Eigenkapitalquote der evo derzeit bei deutlich über 30 Prozent. Damit hat das Unternehmen weiterhin Zugang zu klassischen Bankkrediten mit festen Laufzeiten von bis zu 15 Jahren - ein Grundpfeiler der aktuellen Finanzierungsstrategie.

Bei Bankkrediten spielen Covenants bereits eine Rolle. Hier achten die Oberhausener darauf, die Komplexität durch die Vereinbarung einheitlicher Covenants gering zu halten. „Für die nächsten drei bis fünf Jahre fühlen wir uns gut gerüstet, aber wir tun gut dran, frühzeitig an übermorgen zu denken. Langfristig werden wir um neue Finanzierungsinstrumente nicht herumkommen“, so der kaufmännische Vorstand der evo.

„Für die nächsten drei bis fünf Jahre fühlen wir uns gut gerüstet, aber wir tun gut dran, frühzeitig an übermorgen zu denken. Langfristig werden wir um neue Finanzierungsinstrumente nicht herumkommen."

Timm Dolezych, kaufm. Vorstand der Energieversorgung Oberhausen AG (Foto: evo)

Innovationen für die Finanzierung der Zukunft

Auch Dr. Hans-Georg Napp sieht Handlungsbedarf bei der Diversifizierung der Finanzierungsquellen. Neben Maßnahmen zur Stärkung der Innenfinanzierungskraft wie Thesaurierungen oder Kapitalerhöhungen, sollten Stadtwerke verstärkt auf alternative Finanzierungsinstrumente setzen.

„Instrumente wie Nachrangdarlehen, Genussrechte oder vergleichbare eigenkapitalstärkende Finanzierungsinstrumente sind interessante Alternativen für Stadtwerke, da sie weder die klassische Gesellschafterstruktur verändern noch Governance-Fragen vernachlässigen“, so der ehemalige Bankdirektor der Landesbank Hessen-Thüringen.

Timm Dolezych teilt diese Einschätzung und gibt einen Einblick in die konkreten Überlegungen der evo. „Neben dem gezielten Einsatz von Projektfinanzierungen, zum Beispiel für Erzeugungsanlagen oder Quartierslösungen inklusive Nahwärmenetze, bei denen Aufwand und Ertrag klar abgrenzbar sind, denken wir auch über Bürgerbeteiligungen nach.“ Dabei gehe es nicht nur um die Finanzierung, sondern auch um die Akzeptanz in der Bevölkerung. Nachrangdarlehen könnten hier eine effektive Lösung sein, auch wenn sie mit einem erhöhten Kommunikationsaufwand verbunden seien.

Denkbar wäre für Dolezych auch die Beteiligung eines Infrastrukturfonds an der evo-Netz, der 100-prozentigen Tochter der evo. In diesem Fall würde die Stadt Oberhausen keine Stimmen als Gesellschafter verlieren, sondern nur den indirekten Einfluss auf die Netztochter. Perspektivisch käme zwar weniger Ergebniswachstum bei der Stadt an, sie müsste aber auch weniger Kapital nachschießen. „Da die Energiewende im Verteilnetz stattfindet, halte ich das durchaus für einen möglichen Weg“, resümiert der Finanzvorstand der Energieversorgung Oberhausen AG.

Strategische Planung und Dialoge schaffen Vertrauen

Beide Experten betonen die Bedeutung einer frühzeitigen Planung und einer offenen Kommunikation. „Erfolgreiche Finanzierungsgespräche setzen auf beiden Seiten fundierte Kenntnisse der jeweils anderen Branche voraus“, ist Dr. Napp überzeugt. Regelmäßige und proaktive Finanzierungsdialoge mit Gesellschaftern und potenziellen Kapitalgebern seien dafür unerlässlich und schaffen Vertrauen.

Zur professionellen Vorbereitung auf Finanzierungsgespräche gehöre eine Bestandsaufnahme der Liquiditätssituation des Stadtwerks. Beispielsweise mit dem von den Netzwerkpartnern zur Verfügung gestellten Analysetool, mit dem Stadtwerke auf Basis einer Cashflow-Modellierung ihre Verschuldungskapazität und Schuldentragfähigkeit berechnen können.

„Eine detaillierte Cashflow-Modellierung und Bestandsaufnahme der Schuldentragfähigkeit sind essenziell. Diese Analysen schaffen nicht nur Klarheit über die eigene Position, sondern sind auch Grundlage für einen erfolgreichen Dialog mit Kapitalgebern."

Dr. Hans-Georg Napp, freier Berater mit Schwerpunkt Infrastrukturfinanzierungen (Foto: NappConsult)

Timm Dolezych ergänzt: „Vertrauen ist das A und O. Als Kreditnehmer müssen wir unsere Versprechen halten, transparent sein und viel und proaktiv kommunizieren.“ Neben den wirtschaftlichen Ergebnissen müsse auch die strategische Story stimmen, betont er: „Als Energieversorger brauchen wir eine gute Zukunftsstory, also eine glaubwürdige und belastbare Strategie, damit der Investor weiß, dass sein Geld hier perspektivisch in guten Händen ist.“

Das Lernen von Best-Practices anderer Stadtwerke, zum Beispiel in den Austauschrunden der Netzwerkpartner, erleichtert den Finanzplanern der evo zudem die Vorbereitung auf Bankengespräche.

Vor der Bundestagswahl: Ausblick auf den regulatorischen Rahmen

Abschließend blicken die Gäste auf die bevorstehende Bundestagswahl und deren mögliche Auswirkungen auf die Finanzierung der Energiewende. „Wer die Energiewende politisch und gesellschaftlich will, muss auch die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen“, bekräftigt Dolezych. „Dazu gehören eine Kostenprüfung durch die BNetzA mit Augenmaß und verlässliche Förderprogramme“, fasst der Oberhausener Unternehmenslenker zusammen.

„Gerade die ersten fünf Jahre der Transformation werden die entscheidenden Jahre sein“, macht Dr. Napp deutlich und plädiert dafür, regulatorische Hemmnisse bei der Finanzierung der Energiewende zügig anzugehen und für attraktive Investitionsbedingungen zu sorgen. „Beispielsweise ist die Deckelung von Fernwärmepreisen durch mögliche Regulierungselemente aus sozialpolitischen Gründen sicherlich nachvollziehbar. Hilft aber aus meiner Sicht kaum Investoren zu gewinnen“, gibt der Finanzierungsexperte zu bedenken.

Vielmehr brauche es einen stabilen regulatorischen Rahmen und ein zielgerichtetes Vorgehen aller Akteure der Energiewende, um gestärkt und mit neuen Geschäftsmodellen aus den enormen Herausforderungen hervorzugehen.

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Über Energiedosis – Der Praxispodcast für Energieversorger

Energiedosis ist der Podcast der Netzwerkpartner und erscheint alle zwei Wochen. Jede Folge beleuchtet aktuelle Themen der Energiebranche und bietet Fachleuten und Entscheidern wertvolle Einblicke in die Praxis von Stadtwerken und Energieversorgern. Expertinnen und Experten berichten offen und ehrlich über spannende Projekte, neue Ansätze und Lösungen, Best Practices, Herausforderungen und Lessons Learned sowie aktuelle Trends für die Zukunft der Energiewirtschaft.

Die komplette Folge 70 „Finanzierung der Energiewende“ sowie weitere spannende Episoden finden Sie unter dem unten stehenden Link.

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